Erstes Turmgespräch mit Professor Markus Rex

Mit „Eingefroren am Nordpol“ eröffnete die Sparkasse Pforzheim Calw am 30. September ihre neue Veranstaltungsreihe „Turmgespräch“. In diesem ersten Vortrag schilderte der bekannte Klimaforscher Rex mahnend und informierend zugleich seine Eindrücke und Erlebnisse der „größten Arktisexpedition unserer Zeit“.

Das Sommereis in der Arktis sei noch zu retten, wenn es der Menschheit gelinge, die bereits erfolgte Erderwärmung auf die bereits erreichten 1,5 Grad zu begrenzen. Prof. Dr. Markus Rex, Physiker der Universität Potsdam, brachte diese Nachricht aus dem hohen Norden mit, dem „Epizentrum des globalen Klimawandels“. Falls nicht, seien die Konsequenzen nicht vorhersehbar, denn dann gerate das Klimasystem völlig außer Kontrolle.

Interessierte Besucherinnen und Besucher im neuen TurmQuartier bekamen tiefe Einblicke in die mehr als einjährige Expedition in die Arktis, an der rund 450 Menschen aus 37 Nationen unter Leitung von Rex teilgenommen hatten. Das komplexe Zusammenspiel von Wind, Wolken, Eis und Strömungen zu erforschen und Rückschlüsse zu ziehen auf den Klimawandel, war das Hauptanliegen der Unternehmung. Zu diesem Zweck hatte sich das Forschungsschiff „Polarstern“ ab dem 04. Oktober 2019 in einer mehrere Quadratkilometer großen Eisscholle einfrieren und durch die Hocharktis treiben lassen.

100 Tonnen an wissenschaftlichem Equipment wurden zu einer imposanten Forschungslandschaft aufgebaut, mit deren Hilfe mehr als 100 Parameter des Klimasystems gemessen und gespeichert wurden, in 30 Kilometer Höhe oder unter dem Eis durch autonome Tauchroboter. Selbst wenn die Endergebnisse noch nicht vorlägen, sei doch der Klimawandel unleugbar vorhanden und sogar mit bloßem Auge erkennbar. „Mitten im Winter Wasser um die Füße“ zu haben, hat Rex ebenso schockiert wie das gesamte Team. Denn normalerweise sollte der arktische Kontinent zu dieser Jahreszeit unter einer meterdicken Eisschicht bedeckt sein. Rex ist sich bewusst, dass es immer schon Temperatur- und Klimaschwankungen gegeben habe. Doch nirgendwo seien die vom Menschen ausgelösten Veränderungen sichtbarer als in der Arktis. Viel zu dünnes Eis, das nicht mehr trägt, Wasserlachen, wo keine sein sollten, seien unleugbare Indikatoren für den Wandel. Die beeindruckenden Filmsequenzen und Bilder belegten dies eindringlich.

Der Klimaforscher berichtete jedoch nicht nur von wissenschaftlichen Befunden, er erzählte ebenso von berührenden Begegnungen mit der arktischen Natur. „Fasziniert“ zeigte sich Rex besonders von den Nächten am Nordpol, die „viel schöner, dunkler und vor allem brillanter“ seien als die Nächte bei uns. Die hätten auch beileibe gar nichts „Düsteres“, sondern machten einen eher „euphorisch“, versicherte er. Oft seien die Mitglieder der Expedition auch von Eisbären beobachtet worden, die bei Hunger selbst den Menschen als Beute betrachten würden.

Der erste coronabedingte Lockdown im Frühjahr 2020 schien die Expedition vorzeitig zu beenden. Doch schnell ausgeklügelte Notfallpläne sicherten den Fortbestand des Projekts bis zum planmäßigen Ende am 29. Juli 2021, als die Eisschollen aufbrachen mit „Rissen wie Kanonenschüsse“ und das Ende des arktischen Winters verkündeten.

Die rund 150 Terabyte an gesammelten Daten sowie die mehr als 30 000 entnommenen Proben seien noch längst nicht ausgewertet, aber Rex machte eine ganz deutliche Ansage an die Zuschauerinnen und Zuschauer: „Unsere Generation könnte die letzte sein, die im Sommer eine weiße Kappe am Nordpol erlebt. Der Rückzug des Meereises beschleunigt sich. Da steht eine andere Welt vor der Tür.“ Niemand, der diesem faszinierenden Turmgespräch zuhören durfte, wird diese Warnung auf die leichte Schulter nehmen.

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